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Zugewinnausgleich: Was Sie wissen sollten

Das deutsche Familienrecht regelt nicht nur die Trennung und Scheidung von Ehepartnern, sondern auch die finanziellen Folgen, die damit verbunden sind. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist der Zugewinnausgleich. Doch was verbirgt sich dahinter, und warum ist er für viele Eheleute von großer Bedeutung? Dieser Artikel erklärt die Grundlagen des Zugewinnausgleichs in verständlicher Sprache und zeigt, worauf Sie achten sollten.

Was ist der Zugewinnausgleich?

Der Zugewinnausgleich ist ein gesetzlicher Mechanismus, der bei der Scheidung einer Ehe zum Tragen kommt. Er soll sicherstellen, dass zwischen den Ehepartnern ein fairer finanzieller Ausgleich stattfindet, und zwar mit Hinblick auf das Vermögen, das sie während der Ehezeit aufgebaut haben. Der Grundgedanke dahinter ist einfach: Was während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet wurde, soll auch beiden Seiten zugutekommen.

Der Zugewinnausgleich hat vor allem die klassische Hausfrauenehe im Blick und ist damit nicht unbedingt mehr zeitgemäß. Er basiert auf dem Familienmodell, in dem der Mann Alleinverdiener ist und die Frau Haus und Kinder hütet. Da Haushalt und Kinderbetreuung mindestens genauso viel Arbeit bedeuten, wie eine berufliche Tätigkeit, die Hausfrauenarbeit aber nicht vergütet wird, wäre es zutiefst ungerecht, wenn die Ehefrau an dem Vermögenszuwachs des Mannes im Fall einer Scheidung nicht beteiligt würde. Die Arbeit beider wird somit gleichgestellt und der daraus resultierende Vermögenszuwachs wird zu gleichen Teilen aufgeteilt.

Da jedoch heute in den meisten Ehen beide Ehepartner arbeiten, schließen diese den Zugewinnausgleich oft aus bzw. machen diesen im Rahmen der Scheidung erst gar nicht geltend.

In Deutschland gilt der Zugewinnausgleich automatisch, sofern die Eheleute nicht durch einen Ehevertrag etwas anderes vereinbart haben. Allerdings muss der Zugewinnausgleich im Rahmen der Scheidung von einem Ehepartner geltend gemacht werden, ansonsten findet er nicht statt. Das unterscheidet den Zugewinnausgleich vom Versorgungsausgleich, der in den meisten Fällen durchgeführt werden muss, es sei denn, die Eheleute verzichten darauf ausdrücklich.

Wie funktioniert der Zugewinnausgleich?

Der Zugewinnausgleich basiert auf einem Vergleich des Vermögens beider Ehepartner zu zwei Zeitpunkten:

  1. 1. Bei der Eheschließung: Wie viel Vermögen hatte jeder Partner zu Beginn der Ehe?
  1. 2.Bei der Scheidung: Wie viel Vermögen hat jeder Partner zum Zeitpunkt der Scheidung?

Der Vermögenszuwachs zwischen diesen Zeitpunkten wird als Zugewinn bezeichnet. Hat ein Ehepartner während der Ehezeit mehr Vermögen aufgebaut als der andere, muss er die Hälfte der Differenz zum Zuwachs des anderen Ehepartners an den anderen Partner ausgleichen.

Beispiele zur Veranschaulichung

Zu Beginn der Ehe hat die Ehefrau ein Vermögen von 10.000 Euro, der Ehemann hat keinerlei Vermögen. Nach 10 Jahren Ehe wird die Scheidung eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt hat die Ehefrau ein Vermögen von 50.000 Euro, der Ehemann hat 30.000 Euro angespart.

  • Zugewinn der Ehefrau: 50.000 € (Endvermögen) – 10.000 € (Anfangsvermögen) = 40.000 €
  • Zugewinn von des Ehemanns: 30.000 € (Endvermögen) – 0 € (Anfangsvermögen) = 30.000 €

Der Unterschied zwischen den Zugewinnen beträgt 10.000 € (40.000 € – 30.000 €). Die Ehefrau muss die Hälfte dieses Betrags, also 5.000 €, an den Ehemann ausgleichen.

Ein weiteres Beispiel: Verdoppelt sich während der Ehe der Wert des Grundstücks des Ehemanns von 100.000 € auf 200.000 €, erhält die Ehefrau im Rahmen des Ausgleichs 50.000 €. Also die Hälfte des Zugewinns (100.000 €). Hat der Ehemann selbst ebenfalls eine Wertsteigerung in Höhe von 20.000 € zu verbuchen, so beträgt der Zugewinn nur noch 80.000 €, und die Ehefrau enthält davon die Hälfte, also 40.000 €.

Was zählt zum Vermögen?

Zum Vermögen zählen alle wirtschaftlichen Werte, die ein Ehepartner besitzt, wie zum Beispiel:

  • Immobilien
  • Sparguthaben
  • Aktien und andere Wertpapiere
  • Schmuck und Kunstgegenstände
  • Unternehmensanteile

Schulden werden vom Vermögen abgezogen. Es geht also um das Nettovermögen.

Wann findet kein Zugewinnausgleich statt?

Es gibt Ausnahmen, in denen der Zugewinnausgleich nicht greift oder eingeschränkt wird:

  1. 1.Ehevertrag: Haben die Eheleute einen Ehevertrag geschlossen und darin den Zugewinnausgleich ausgeschlossen oder modifiziert, gilt diese Vereinbarung.
  1. 2.Kurze Ehedauer: War die Ehe nur von sehr kurzer Dauer, kann der Zugewinnausgleich unter Umständen entfallen.
  1. 3.Erbschaften und Schenkungen: Vermögen, das ein Ehepartner durch Erbschaft oder Schenkung erworben hat, wird beim Zugewinnausgleich nicht berücksichtigt, allerdings werden Wertsteigerungen, zum Beispiel einer vererbten Immobilie, berücksichtigt. Auch Wertsteigerungen eines Unternehmens oder von Unternehmensanteilen (Aktien, Wertpapiere) fließen in den Zugewinnausgleich. Ehepartner, die ein Unternehmen besitzen, das ihnen zur Deckung des Lebensunterhaltes dienen, sollten deshalb darüber nachdenken, zumindest solche Wertsteigerungen ehevertraglich vom Zugewinnausgleich auszuschließen.

Praktische Tipps für Betroffene

  1. 1.Dokumentation ist wichtig: Halten Sie alle Vermögenswerte und Schulden zu Beginn und am Ende der Ehe fest. Dies erleichtert die Berechnung des Zugewinns.
  1. 2.Rechtzeitige Beratung: Scheidungen sind oft emotional belastend. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann helfen, Streitigkeiten zu vermeiden und faire Lösungen zu finden.
  1. 3.Ehevertrag prüfen: Wenn Sie einen Ehevertrag haben, lassen Sie ihn überprüfen, um zu klären, ob und wie der Zugewinnausgleich geregelt ist.
  1. 4.Scheidungsfolgenvereinbarungen können Zugewinn- und Versorgungsausgleich ausschließen und somit den Weg für eine unkomplizierte Scheidung ebnen.

Fazit

Der Zugewinnausgleich ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Familienrechts, der sicherstellen soll, dass beide Ehepartner finanziell fair aus der Ehe hervorgehen. Obwohl das Prinzip einfach erscheint, können die Berechnungen und rechtlichen Details komplex sein. Daher ist es ratsam, sich im Falle einer Scheidung von einem Fachanwalt für Familienrecht beraten zu lassen. So können Sie Ihre Rechte wahren und unangenehme Überraschungen vermeiden.

Haben Sie Fragen zum Zugewinnausgleich oder benötigen Sie Unterstützung in Scheidungsangelegenheiten? Zögern Sie nicht, sich an einen Experten zu wenden – wir helfen Ihnen gerne weiter.