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Rechtsprechungsübersicht

BVerwG: Elternteil bei mehr als 60 Prozent Betreuung als „alleinerziehend“ anerkannt

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Grundsatzurteil klargestellt, wann ein Elternteil als alleinerziehend gilt und somit Anspruch auf Unterhaltsvorschuss hat. Nach dem Urteil vom 12. Dezember 2023 (Az. 5 C 9.22, 5 C 10.22) gilt ein Elternteil als alleinerziehend, wenn er mehr als 60 Prozent der Betreuung des gemeinsamen Kindes übernimmt. Diese Entscheidung schafft Rechtssicherheit für Fälle, in denen getrenntlebende Eltern die Betreuung des Kindes aufteilen.

Geklagt hatte eine Mutter von Zwillingstöchtern, die Unterhaltsvorschuss beantragt hatte, da der Vater seiner Barunterhaltspflicht nicht nachkam. Die Vorinstanzen lehnten den Antrag ab, da der Vater 36 Prozent der Betreuung übernahm, was nach Auffassung der Gerichte eine wesentliche Entlastung der Mutter darstellte. Das BVerwG hob diese Entscheidungen jedoch auf und stellte fest, dass der Betreuungsschwerpunkt ganz klar bei der Mutter lag.

Das Gericht entschied, dass ein Elternteil ab einem Betreuungsanteil von über 60 Prozent die Voraussetzungen für den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss erfüllt. Der Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes besteht darin, den Elternteil zu entlasten, der durch die Abwesenheit des anderen besonders belastet ist. Die Regelung sei nicht auf Fälle des vollständigen Alleinerziehens beschränkt, sondern greife auch dann, wenn der Großteil der Betreuung bei einem Elternteil liegt.

Dieses Urteil stellt eine wichtige Klärung für getrennt lebende Eltern dar, die sich die Betreuung des Kindes teilen. Eine qualitative Bewertung der Betreuungsleistungen sei dabei nicht relevant, so das BVerwG. Entscheidend ist allein der zeitliche Umfang der Betreuung, wobei der Schwellenwert bei 60 Prozent liegt. Diese Grenze wird nun als Maßstab gelten, wenn es um die Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen geht.

Mit dieser Entscheidung verweist das BVerwG den Fall zurück an das Oberverwaltungsgericht Münster, um den Betreuungsanteil im konkreten Fall erneut zu bewerten.

OLG Frankfurt: Umgangspflicht von Eltern gestärkt – ein Meilenstein für das Kindeswohl

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem Grundsatzurteil (Az. 3 UF 156/20) die Rechte von Kindern im Umgangsrecht gestärkt und klargestellt, dass Eltern, insbesondere Väter, auch gegen ihren Willen zum Umgang mit ihren Kindern verpflichtet sind, wenn dies dem Kindeswohl dient. Diese Entscheidung betont die elterliche Verantwortung und könnte wegweisend für zukünftige familienrechtliche Urteile sein.

Verfassungsrechtliche Verantwortung der Eltern

Im Zentrum der Entscheidung steht die Pflicht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder Sorge zu tragen. Diese Pflicht richtet sich in erster Linie an das Kind selbst. Kinder haben ein eigenes Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen, das nicht durch persönliche oder berufliche Umstände der Eltern eingeschränkt werden darf.

§ 1684 Abs. 1 BGB garantiert Kindern das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen. Die Eltern sind ihrerseits verpflichtet, diesen Umgang zu ermöglichen. Das Urteil des OLG Frankfurt bekräftigt, dass diese Verpflichtung umfassend gilt und nicht durch den Willen der Eltern außer Kraft gesetzt werden kann. Es unterstreicht, dass der Umgang ein zentrales Element der elterlichen Verantwortung darstellt.

Stärkung des Kindeswohls im Umgangsrecht

Das Urteil ist bedeutsam, weil es das Kindeswohl klar in den Vordergrund stellt. Regelmäßiger Kontakt zu beiden Elternteilen ist für die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes unerlässlich. Der Umgang mit beiden Eltern fördert die Stabilität und das Wohlbefinden des Kindes, unabhängig davon, wie die Beziehung der Eltern untereinander ist.

Das Gericht betonte, dass die Pflicht zum Umgang nicht von persönlichen Belastungen oder Vorbehalten der Eltern abhängt. Das Kindeswohl genießt absoluten Vorrang, und Eltern können sich nicht einfach ihrer Verantwortung entziehen, wenn sie die regelmäßige Pflege der Beziehung zu ihrem Kind als belastend empfinden.

Wegweisend für das Familienrecht

Dieses Urteil bietet eine klare Orientierung für zukünftige familienrechtliche Entscheidungen. Es zeigt, dass der Umgang der Eltern mit dem Kind keine freiwillige Leistung ist, sondern eine rechtlich bindende Pflicht, die aktiv wahrgenommen werden muss. Persönliche oder berufliche Gründe reichen nicht aus, um den Umgang zu verweigern oder einzuschränken.

Für das Familienrecht bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung des Kindeswohls als zentralem Leitprinzip. Es sendet ein starkes Signal, dass das Recht des Kindes auf beide Elternteile ernst genommen wird und nicht durch individuelle Umstände der Eltern geschwächt werden darf.

OLG Stuttgart: Kein Umgangsrecht für Haustiere nach Scheidung

In einer aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht Stuttgart klargestellt, dass es nach einer Scheidung kein gesetzliches Umgangsrecht für Haustiere gibt. Die Zuweisung eines Hundes richtet sich nach den Vorschriften über Haushaltsgegenstände, und für diese gibt es im Gesetz keine Regelung für ein Umgangsrecht (Beschl. v. 16.04.2019, Az. 18 UF 57/19) .

Der Fall betraf eine geschiedene Ehefrau, die nach der Scheidung das Recht einforderte, regelmäßig Zeit mit dem Hund des ehemaligen Ehepaars zu verbringen. Das Familiengericht hatte ihren Antrag auf ein Umgangsrecht abgewiesen. Das OLG Stuttgart bestätigte dieses Urteil.

Hund als Haushaltsgegenstand behandelt

Rechtlich gilt ein Haustier nach § 90a BGB zwar nicht als Sache, ist jedoch rechtlich den Sachen weitgehend gleichgestellt. Deshalb werch Tiere nach einer Scheidung wie Haushaltsgegenstände behandelt. Gemäß § 1568b Abs. 1 BGB kann ein Haushaltsgegenstand, der im gemeinsamen Eigentum beider Ehepartner steht, einem der Ehepartner zugewiesen werden. Ein Umgangsrecht für Tiere oder für Sachen sieht das Gesetz jedoch nicht vor.

Das Gericht stellte fest, dass die Ehefrau kein Eigentum oder Miteigentum an dem Hund nachweisen konnte. Der Hund war vor der Hochzeit gemeinsam angeschafft worden, doch laut dem Abgabevertrag des Tierhilfevereins war der Ehemann als alleiniger Eigentümer eingetragen.

Keine Ausweitung des Umgangsrechts auf Tiere

Das OLG Stuttgart unterstrich, dass das Umgangsrecht gemäß § 1684 BGB ausschließlich zum Schutz des Kindeswohls gedacht ist und nicht auf Haustiere ausgeweitet werden kann. Auch andere Gerichte, wie das OLG Hamm und das OLG Bamberg, haben in der Vergangenheit entschieden, dass ein Umgangsrecht für Haustiere rechtlich nicht vorgesehen ist. Versuche, durch richterliche Entscheidungen ein solches Recht zu schaffen, würden die Grenzen der zulässigen Auslegung überschreiten.

BVerfG: Kindesentzug bei Misshandlungsverdacht auch ohne eindeutige Beweise möglich

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Herausnahme eines Kindes aus seiner Familie bereits bei einem dringenden Verdacht auf Misshandlung gerechtfertigt sein kann. Eine hundertprozentige Beweislage ist dabei nicht erforderlich, wenn eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls mit großer Wahrscheinlichkeit vorauszusehen ist (Beschl. v. 16.09.2022, Az. 1 BvR 1807/20).

Die Entscheidung des BVerfG verdeutlicht, dass der Schutz der Grundrechte des Kindes Vorrang hat und präventive Maßnahmen, wie die Trennung des Kindes von den Eltern, auch ohne unanfechtbare Beweise zulässig sind, wenn schwere Schäden für das Kind drohen. Im vorliegenden Fall war ein Säugling betroffen, der schwerste Verletzungen, darunter einen Oberschenkelbruch und Anzeichen eines Schütteltraumas, erlitten hatte

Gefahrenprognose entscheidet über Trennung

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass eine Trennung des Kindes von der Familie verfassungsrechtlich zulässig sein kann, wenn eine Gefahrenprognose ergibt, dass das Wohl des Kindes mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich gefährdet ist. Dabei gilt: Je größer der zu befürchtende Schaden für das Kind, desto geringer sind die Anforderungen an die Beweislast. Es genüge, dass die Gerichte zu einem Grad von Gewissheit gelangen, der den Verdacht so stark bestätigt, dass Zweifel zwar bestehen, aber keine unüberwindbare Hürde für die Entscheidung darstellen.

Im konkreten Fall hatten mehrere medizinische Gutachter schwere Zweifel an den Erklärungen der Eltern zu den Verletzungen des Kindes geäußert. Diese hätten eher auf eine gewaltsame Einwirkung hingedeutet. Das Jugendamt griff daraufhin ein, und die Eltern legten gegen den Entzug des Sorgerechts Verfassungsbeschwerde ein – ohne Erfolg.

Präventiver Kinderschutz

Die Entscheidung des BVerfG setzt einen klaren Maßstab für den präventiven Schutz von Kindern. Sie betont, dass es in Fällen von Kindesmisshandlung oder Missbrauch im Zweifel darum geht, das Wohl des Kindes zu sichern, auch wenn die Beweislage nicht unumstößlich ist. Diese präventive Logik dient dem Schutz von Kindern in besonders vulnerablen Situationen, in denen eine abwartende Haltung zu irreversiblen Schäden führen könnte.

Das Gericht verdeutlichte, dass die Anforderung an den Grad der richterlichen Überzeugung in solchen Fällen niedriger angesetzt werden darf, wenn das Risiko einer schweren Schädigung des Kindes hoch ist. Diese Entscheidung wird als wegweisend für den Schutz von Kindern im Familienrecht gesehen und zeigt, wie ernst das BVerfG den Schutz des Kindeswohls nimmt.

BGH: Fristversäumnis führt zur Räumung – Ex-Frau muss Wohnung des Ex-Mannes verlassen

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Anspruch auf Überlassung der gemeinsamen Wohnung nach einer Scheidung innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden muss. Wird diese Frist versäumt, erlischt der Anspruch, und der Eigentümer kann die Wohnung zurückfordern. Dies gilt sowohl für Mietwohnungen als auch für Eigentumswohnungen (Beschl. v. 10.03.2021, Az. XII ZB 243/20) .

Im verhandelten Fall ging es um eine geschiedene Frau, die nach der Trennung weiterhin in der Wohnung lebte, die ihrem Ex-Mann allein gehörte. Obwohl sie keine Miete zahlte und keinen formalen Antrag auf Überlassung gestellt hatte, lebte sie dort mehrere Jahre. Als der Ex-Mann gerichtlich die Räumung der Wohnung forderte, ging sie dagegen vor – jedoch ohne Erfolg.

Warum eine Frist für den Überlassungsanspruch?

Grundlage der Entscheidung ist § 1568a Bürgerliches Gesetzbuch . Dieser Paragraph soll sicherstellen, dass die Wohnsituation nach einer Scheidung innerhalb eines absehbaren Zeitraums geregelt wird. Dem Ehepartner, der stärker auf die Wohnung angewiesen ist, wird ermöglicht, diese zu nutzen, jedoch nur, wenn er dies innerhalb eines Jahres nach der Scheidung gerichtlich geltend macht. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung Unsicherheiten vermeiden und sicherstellen, dass der Wohnraum nach der Trennung zügig neu verteilt wird. Eine längere Unsicherheit könnte dazu führen, dass der Eigentümer der Wohnung langfristig in der Schwebe bleibt, ob er die Wohnung nutzen oder vermieten kann.

Der BGH stellte klar, dass diese Frist sowohl für Miet- als auch für Eigentumswohnungen gilt. Andernfalls würde der Eigentümer benachteiligt, der keine Möglichkeit hätte, die Wohnung zu nutzen oder zu vermieten, wenn der Ex-Partner jahrelang in der Wohnung bleibt, ohne das Recht darauf rechtzeitig zu beantragen.

Keine nachträgliche Geltendmachung

Im vorliegenden Fall hatte die Frau keinen Antrag auf Überlassung der Wohnung gestellt und auch keine Vereinbarung mit ihrem Ex-Mann getroffen. Da die gesetzliche Frist verstrichen war, konnte sie nachträglich keinen Anspruch mehr geltend machen. Der Ex-Mann konnte daher erfolgreich die Räumung der Wohnung durchsetzen.

Der BGH bekräftigte, dass diese Frist aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich ist. Sie stellt sicher, dass die Wohnsituation nach der Scheidung rasch geklärt wird und der Eigentümer keine unbestimmte Zeit auf die Nutzung seiner Wohnung verzichten muss. Damit dient die Regelung sowohl dem Schutz des Wohnungseigentümers als auch der zügigen Neuordnung der Verhältnisse nach einer Scheidung.

BGH: Gleichgeschlechtliche Ehe – Keine automatische Elternschaft für die Ehefrau der Mutter

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei gleichgeschlechtlichen Ehen die Ehefrau der Kindesmutter nicht automatisch als rechtlicher Elternteil anerkannt wird. Die Abstammungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches, die bei heterosexuellen Paaren gelten, sind nicht auf gleichgeschlechtliche Paare übertragbar (Beschl. v. 10.10.2018, Az. XII ZB 231/18) .

Im verhandelten Fall ging es um ein lesbisches Ehepaar, das sein gemeinsames Kind durch eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen zur Welt brachte. Obwohl die Ehefrauen wünschten, dass beide als Mütter in das Geburtenregister eingetragen werden, erkannte das Standesamt nur die gebärende Frau als Mutter an. Die Ehefrau der Mutter wurde nicht automatisch zum rechtlichen Elternteil, obwohl sie zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war.

Keine analoge Anwendung des § 1592 BGB

Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB wird der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, automatisch als Vater des Kindes anerkannt. Diese Regelung ist jedoch auf gleichgeschlechtliche Ehen nicht anwendbar, entschied der BGH. Der Gesetzgeber habe das Abstammungsrecht trotz Einführung der "Ehe für alle" nicht geändert und sehe weiterhin eine Eltern-Kind-Zuordnung zwischen einer Mutter und einem Vater vor. Eine analoge Anwendung der Vaterschaftsregel auf die Ehefrau der Mutter sei nicht möglich, da diese Regelung die biologische Abstammung widerspiegelt, die bei zwei Frauen nicht gegeben sei.

Rechtslage bleibt bis zur Reform des Abstammungsrechts bestehen

Der BGH stellte klar, dass die derzeitige Rechtslage weder gegen das Grundgesetz noch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Die biologische Tatsache, dass die Ehefrau der Mutter nicht die leibliche Elternschaft übernehmen kann, rechtfertige die unterschiedliche Behandlung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren im Abstammungsrecht. Bis zu einer möglichen Reform bleibt der Ehefrau der Mutter die Option, das Kind zu adoptieren, um rechtlich anerkannter Elternteil zu werden.

OLG Frankfurt: Kindeswille nicht immer im Einklang mit dem Kindeswohl

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass der Wille von Kindern zwar berücksichtigt werden muss, aber nicht immer mit dem Kindeswohl übereinstimmt. Im Fall einer Trennung der Eltern und der Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts entschied das Gericht, dass die Wünsche der Kinder, künftig beim Vater zu wohnen, nicht ihrem Wohl entsprachen (Beschl. v. 16.01.2018, Az. 1 UF 74/18) .

Nach der Trennung der Eltern lebten die drei Kinder zunächst bei der Mutter. Zwei Jahre später beantragte der Vater, das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu ändern und die Kinder zu ihm zu holen. Die Kinder selbst hatten sich in einer Anhörung ebenfalls für einen Umzug ausgesprochen. Das Familiengericht wies den Antrag jedoch ab und ordnete stattdessen einen erweiterten Umgang des Vaters mit den Kindern an. Auch die Beschwerde des Vaters vor dem OLG hatte keinen Erfolg.

Kindeswille als Teilaspekt des Kindeswohls

Das OLG stellte klar, dass der Kindeswille bei der Entscheidung über den Aufenthaltsort der Kinder zwar ein wichtiges Kriterium ist, jedoch nicht der einzige Gesichtspunkt. Vielmehr muss der Kindeswille im Kontext des gesamten Kindeswohls betrachtet werden, das durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt wird, darunter die Erziehungseignung der Eltern, die Kontinuität der Betreuung sowie die Förderung der Kinder.

In diesem Fall stellten Sachverständige fest, dass der Wille der Kinder nicht autonom gebildet war. Die Kinder verbanden den Wunsch, beim Vater zu leben, mit materiellen Vorteilen wie einem Haus, einem Garten und einem Haustier. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass der Vater „starke Beeinflussungs- oder gar Instrumentalisierungstendenzen“ gezeigt habe, was den freien Willen der Kinder beeinflusst habe.

Kindeswohl im Mittelpunkt der Entscheidung

Das Gericht betonte, dass Entscheidungen über das Aufenthaltsbestimmungsrecht stets auf das Kindeswohl ausgerichtet sein müssen. Der Wille der Kinder, wo sie leben möchten, ist ein Aspekt, kann aber nicht isoliert betrachtet werden. Kinder haben oft nicht die notwendige Weitsicht oder die emotionale Reife, um objektiv zu beurteilen, was langfristig in ihrem besten Interesse ist. Ihre Wünsche können von kurzfristigen Vorteilen oder den Einflüssen eines Elternteils geprägt sein

Deshalb müssen Gerichte in solchen Fällen umfassend prüfen, ob der geäußerte Wille der Kinder tatsächlich ihrem Wohl dient oder ob andere Kriterien, wie Kontinuität, Stabilität und die Erziehungseignung der Eltern, schwerer wiegen. Das OLG betonte zudem, dass es kein grundsätzlich zu bevorzugendes Betreuungsmodell gibt – jede Entscheidung muss individuell getroffen werden und sich an den spezifischen Umständen orientieren.

Begrenzte Änderungsmöglichkeiten bereits getroffener Entscheidungen

Das Gericht wies darauf hin, dass gerichtliche Entscheidungen zum Aufenthaltsbestimmungsrecht nur in engen Grenzen geändert werden können. § 1696 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass triftige, das Kindeswohl berührende Gründe vorliegen müssen, um eine bereits getroffene Entscheidung zu revidieren. Dies dient der Stabilität der Lebensumstände des Kindes, da wiederholte Änderungen Unsicherheiten und Belastungen für die Kinder verursachen können.

Ein sensibles Gleichgewicht

Das Urteil des OLG Frankfurt verdeutlicht, wie wichtig es ist, das Kindeswohl als zentralen Maßstab bei Entscheidungen über das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu wahren. Während der Wille der Kinder gehört und berücksichtigt wird, müssen Gerichte diesen sorgfältig im Gesamtzusammenhang bewerten. Kinder sind in der Regel noch nicht in der Lage, die langfristigen Konsequenzen ihrer Entscheidungen abzuschätzen, weshalb es Aufgabe der Gerichte ist, im besten Interesse des Kindes zu entscheiden – auch wenn dies dem geäußerten Wunsch der Kinder widerspricht.

Wegweisendes Urteil: BVerfG stärkt die Rechte leiblicher Väter

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem bedeutenden Urteil die Rechte leiblicher Väter entscheidend gestärkt. Mit dem Beschluss vom 9. April 2024 (Az. 1 BvR 2017/21) erklärte das Gericht die bisherige Rechtslage zur Vaterschaftsanfechtung als unvereinbar mit dem Grundgesetz und forderte den Gesetzgeber auf, die Regelungen grundlegend zu überarbeiten.

Der Fall betraf einen leiblichen Vater, der nach der Trennung von der Kindsmutter jahrelang vergeblich um die Anerkennung seiner rechtlichen Vaterschaft kämpfte. Aufgrund der restriktiven Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs hatte ein anderer Mann, der eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufgebaut hatte, die rechtliche Vaterstellung übernommen. Der leibliche Vater scheiterte mit seiner Anfechtung der Vaterschaft, da die Gerichte davon ausgingen, dass die Beziehung des Kindes zum neuen Partner der Mutter Vorrang habe.

Das BVerfG stellte jedoch fest, dass das geltende Recht den Anforderungen des grundgesetzlich geschützten Elternrechts leiblicher Väter nicht gerecht wird. Es sei verfassungswidrig, dass leibliche Väter in vielen Fällen keine realistische Möglichkeit hätten, ihre Vaterschaft anzuerkennen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind und einem anderen Mann besteht. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber ein Verfahren schaffen muss, das es leiblichen Vätern ermöglicht, in solchen Fällen dennoch rechtlich als Vater anerkannt zu werden.

Ein bedeutender Schritt für gerechtere Familienverhältnisse

Dieses Urteil markiert einen wichtigen Schritt im deutschen Familienrecht. Zum ersten Mal stellte das BVerfG klar, dass die Rechte leiblicher Väter in Zukunft stärker berücksichtigt werden müssen. Es geht nicht nur um den biologischen Bezug, sondern auch um die Verantwortung, die leibliche Väter für ihr Kind übernehmen wollen. Dabei hob das Gericht hervor, dass das Elterngrundrecht auch die Pflicht zur Sorge um das physische, psychische und wirtschaftliche Wohl des Kindes umfasst.

Für leibliche Väter, die bislang oft nur eingeschränkte rechtliche Möglichkeiten hatten, stellt diese Entscheidung eine erhebliche Verbesserung dar. Sie erhalten eine größere Chance, an der Erziehung und am Leben ihrer Kinder teilzuhaben, selbst wenn die Kindsmutter eine neue Beziehung eingegangen ist. Das Urteil schützt somit nicht nur die Rechte der Väter, sondern trägt auch dem Wohl der Kinder Rechnung, indem es sicherstellt, dass sie eine Beziehung zu ihrem biologischen Vater aufbauen können.

Gesetzgeber in der Pflicht

Das Bundesjustizministerium hatte bereits vor der Entscheidung angekündigt, das Abstammungsrecht reformieren zu wollen, um die Stellung leiblicher Väter zu stärken. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens Juni 2025 eine Neuregelung zu schaffen. Dabei könnte sogar eine rechtliche Elternschaft für mehr als zwei Personen in Betracht kommen, was eine Revolution im deutschen Familienrecht bedeuten würde.

Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber die Elternschaft künftig auf zwei Personen beschränkt oder mehr als zwei rechtliche Eltern zulässt, muss leiblichen Vätern in jedem Fall ein effektives Verfahren zur Verfügung stehen, ihre Rechte durchzusetzen. Das bisherige Recht, das Vaterschaftsanfechtungen erschwert, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater besteht, wird in dieser Form nicht weiter bestehen.

Für viele Väter und Familien bedeutet dieses Urteil eine Erleichterung und ein Zeichen für gerechtere Verhältnisse im Familienrecht. Es zeigt, dass biologische Väter nicht länger von der rechtlichen Elternschaft ausgeschlossen bleiben müssen, wenn sie bereit sind, Verantwortung für ihr Kind zu übernehmen.

BGH: Großeltern können bei Unterhaltszahlungen für Enkel herangezogen werden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wichtigen Entscheidung klargestellt, dass Großeltern unter bestimmten Umständen für den Unterhalt ihrer Enkel aufkommen müssen, wenn die finanziellen Mittel der Eltern nicht ausreichen. In einem Fall aus Sachsen entschied das Gericht, dass Großeltern als Verwandte in gerader Linie grundsätzlich ebenfalls unterhaltspflichtig sind, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht in der Lage ist, den vollen Kindesunterhalt zu leisten (Beschl. v. 27.10.2021, Az. XII ZB 123/21) .

Der Streitfall betraf einen Vater, der aufgrund seines geringen Einkommens von rund 1.400 Euro netto monatlich lediglich 100 Euro Unterhalt für seine Tochter zahlen konnte. Die Unterhaltsvorschusskasse forderte jedoch eine Nachzahlung von 760 Euro für den Zeitraum von Juni 2016 bis Ende 2017. Der Vater verweigerte diese Zahlung und verwies auf die finanziell besser gestellten Großeltern, die deutlich höhere Einkommen hatten

Großeltern als „Ersatzverpflichtete“

Nach dem BGH-Urteil können Großeltern in solchen Fällen zur Zahlung herangezogen werden, allerdings nur dann, wenn sie finanziell leistungsfähig sind. Der Vater muss nachweisen, dass es in der Familie leistungsfähige Verwandte gibt, wie in diesem Fall der Großvater, dessen monatliches Einkommen bei 3.500 Euro lag. Laut BGH sei es damit gerechtfertigt, den Vater nicht zusätzlich zu belasten, da der Großvater ohne weiteres zur Zahlung in der Lage gewesen sei.

Der BGH stellte jedoch klar, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme bleiben soll. Erstens hat der Staat keine rechtliche Möglichkeit, die Großeltern aktiv zur Zahlung zu zwingen. Zweitens sind die Selbstbehaltsgrenzen bei Großeltern deutlich großzügiger als bei Eltern. Ihnen steht ein Selbstbehalt von 2.000 Euro zu, zuzüglich der Hälfte des darüber liegenden Einkommens, sodass nur darüber hinausgehende Beträge für den Unterhalt der Enkel herangezogen werden können.

Ein rechtlicher Balanceakt

Dieses Urteil unterstreicht die besondere Stellung der Großeltern im Familienrecht. Auch wenn sie unterhaltspflichtig sein können, bleibt ihre finanzielle Verantwortung auf Ausnahmefälle beschränkt. Das Gericht betonte, dass zunächst immer die Eltern in der Pflicht stehen. Großeltern kommen nur dann ins Spiel, wenn sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen und der unterhaltspflichtige Elternteil nicht in der Lage ist, den vollen Kindesunterhalt zu zahlen.

Für Großeltern bedeutet dies, dass sie unter bestimmten Bedingungen für ihre Enkel aufkommen müssen, wenn die finanziellen Mittel der Eltern nicht ausreichen. Gleichzeitig schützt das Urteil aber auch die Rechte der Großeltern, indem es großzügige Selbstbehaltssätze vorsieht und den Staat daran hindert, aktiv auf ihre Vermögenswerte zuzugreifen.

Getrenntleben im selben Haushalt – OLG Frankfurt präzisiert Trennungsvoraussetzungen

Ehepaare, die im selben Haus leben und weiterhin freundschaftlich miteinander umgehen, können trotzdem als getrennt gelten. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer aktuellen Entscheidung klargestellt (Beschluss vom 28.03.2024, Az. 1 UF 160/23) .

Im verhandelten Fall lebte ein Ehepaar trotz Trennung weiterhin unter einem Dach, um ihren drei minderjährigen Kindern zuliebe den Alltag gemeinsam zu meistern. Trotzdem stellte das Oberlandesgericht fest, dass eine räumliche Trennung im klassischen Sinne – also der Auszug eines Partners – nicht erforderlich ist, um das Getrenntleben anzuerkennen. Es reicht aus, wenn ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“ eingehalten wird. So nutzte der Ehemann etwa eine eigene Schlafstätte und ein separates Badezimmer, während die persönlichen Beziehungen zwischen den Ehepartnern beendet waren.

Das Gericht betonte, dass gemeinsame Mahlzeiten oder gelegentliche Erledigungen für den anderen Ehepartner, besonders im Zusammenhang mit den Kindern, die Annahme einer Trennung nicht beeinträchtigen. Solche Handlungen seien Teil eines vernünftigen, freundschaftlichen Umgangs, der dem Wohl der Kinder dient.

Das Urteil bietet eine praxisnahe Lösung für Ehepaare, die sich getrennt haben, aber dennoch zusammenleben – etwa um das Wohl der Kinder zu sichern. Es schafft Klarheit darüber, dass nicht der räumliche Abstand entscheidend ist, sondern die erkennbare Beendigung der ehelichen Gemeinschaft. Für Familien, denen eine sofortige räumliche Trennung aus finanziellen oder praktischen Gründen schwerfällt, bietet dieses Urteil wertvolle Entlastung. Es zeigt, dass auch unter einem Dach klare Grenzen gesetzt und die Voraussetzungen für eine rechtlich wirksame Trennung erfüllt werden können – ohne die familiäre Stabilität unnötig zu belasten.